Trauer und Trauerbegleitung

 Gedanken zu Trauer

und Trauerbegleitung                                         

In die Trauer stürzen scheinbar alle anderen Gefühle hinein.

 

Eine große Verwirrung kann empfunden werden – oder ein

Gefühl des Betäubt-seins.

 

Vor allem, wenn ein Trauerfall plötzlich eintritt, sind die Betroffenen oft überwältigt von ihren Gefühlen.

 

Oder sie begreifen gar nichts mehr, die Realität verschwimmt vor den Augen und wird vorübergehend       un-be-greifbar.

 

 

 

Häufig wird sofort versucht, den natürlichen Reaktionen der Angehörigen von Schmerz und Verzweiflung mit starken Medikamenten entgegen zu wirken. 

 

Wenn möglich, sollte das unterlassen werden. Der spontane Ausdruck starker Gefühle und Impulse ist für die Bewältigung der Situation sinnvoller und heilsamer als jedes Medikament.

 

Dies muss allerdings von Fall zu Fall entschieden werden. Es sollte zunächst den betroffenen Personen selbst überlassen werden, wenn möglich. Unter Umständen müssen allerdings Angehörige oder medizinisches Personal helfend eingreifen.

 

Manchmal kann das notwendig sein, vor allem, wenn ein Tod durch Gewalt oder tragischen Unfall plötzlich eintrat.

Oder aber die trauernde Person ohnehin psychisch vorbelastet ist.

 

Plötzlicher Tod kann für die nächsten Angehörigen derart schockierend sein, dass sie Gefahr laufen „aus dem Verstand zu gehen“, wie man früher so treffend sagte.

Besonders schlimm ist es für die Betroffenen, wenn sie sich selbst für einen tödlich verlaufenden Unfall oder Gewaltakt verantwortlich oder schuldig fühlen.

 

Das betrifft u.a. Eltern, deren Kind zum Beispiel durch ihr kurzfristiges Versagen, eine Unachtsamkeit, zu Schaden gekommen ist.

Oder Angehörige von Menschen, die sich das Leben genommen haben.

Gerade dies ist eine sehr besondere Situation, ich werde zu einem späteren Zeitpunkt

mehr dazu schreiben.

 

Aber auch der Verlust eines geliebten Menschen durch lange, schwere Krankheit

oder natürliche Altersschwäche kann bei Angehörigen Schuldgefühle auslösen und

nagende Zweifel, ob sie selbst noch irgend etwas hätten tun müssen und nun versäumt haben.

Der Gedanke, dass es nicht zum Tod gekommen wäre, wenn sie selbst nur anders gehandelt, etwas besser gemacht hätten, kann für Hinterbliebene zu einer schweren Bürde werden.

 

Schuldgefühle, Wut, Verzweiflung...

 

Schuldgefühle, Wut, Verzweiflung, Liebe, Hass, Angst… jedes Gefühl kann in der Trauer enthalten sein oder sie überlagern.

 

Daher braucht es in der Trauerzeit vor allem eins: Geduld.

 

Geduld mit sich selbst, als Trauernde/r, Geduld von Seiten der Familie, der FreundInnen, des sozialen Umfeldes insgesamt. Geduld, Verständnis und sensibles Einfühlungsvermögen braucht es von Seiten der Trauerbegleitung oder TherapeutIn.

 

 

Zeitein Faktor, der heute mehr und mehr als Luxus verstanden wird – heilt alle Wunden, heißt es. Aber es wird nicht gesagt, wie viel Zeit damit gemeint ist.

Trauer ist sehr individuell und darf es auch sein.

Sie ist Ausdruck der Persönlichkeit und sollte in Würde gelebt werden dürfen.

 

So ist es niemals Aufgabe einer Trauerbegleitung, den Trauerprozess zu beschleunigen oder zu manipulieren. Sondern liebevoll zu begleiten, zu unterstützen und hilfreiche Gedanken, Methoden, Rituale anzubieten.

 

Menschen in tiefer Trauer brauchen zunächst die Gegenwart von Anderen, die ihre Hand halten, einfach da sind und jedes Gefühl und Verhalten des/der Trauernden akzeptieren.

 

(Außer Selbst- oder Fremdschädigung, selbstverständlich. Wobei ich auf dieses Thema an anderer Stelle noch einmal eingehen werde. )

 

Auch dem Schweigen muss Raum gegeben werden, der plötzlichen Wut, dem Aufschrei von Verzweiflung und Unglauben.

 

Die Trauer leben...

 

 

So verstanden wird der Trauerprozess zu einem akzeptierten Teil des Lebens, zu einem selbstverständlichen Geschehen unseres menschlichen Daseins hier auf der Erde.

 

Nicht etwas, was man verdrängen, verleugnen oder verhindern müsste.

 

Denn gerade dies führt leider häufig zu

neurotischen Prozessen von ungelebtem Leben, die auf Dauer den Betroffenen schaden, lähmen, im Fortlauf des eigenen Lebens behindern.

 

 

 

 

Depressionen, Suchtverhalten, Unfälle, körperliche Erkrankung und früher Tod u.a.m. können die Folge eines nicht gelebten Trauerprozesses sein.

 

Unter Bedingungen von Respekt, Verständnis und liebevoller Begleitung kann der anfangs vielleicht unerträglich schmerzliche Trauerprozess dennoch gelebt werden. Kann die Trauernden zu einem besseren Selbstverständnis, zu innerer Reife und sogar zu größerer Liebesfähigkeit führen.

 

Das kann am Ende bedeuten, dass Tod, Verlust und Trauer, wenn sie akzeptiert, verstanden und gewürdigt werden, Menschen nicht mit sich reißen und zerstören – sondern ihnen etwas schenken: Einsicht, ein tieferes, intuitives Verständnis, und

die dankbare Wahrnehmung der Fülle des Lebens.

 

 

Ergänzend möchte ich noch anfügen: Es versteht sich für mich von selbst, dass in der Trauerbegleitung die spirituelle Ebene beachtet und geachtet wird: Welche religiösen oder spirituellen Ansichten, Meinungen oder Glaubensvorstellung hat der/die Trauernde? 

Welche Vorstellungen vom Tod, von Leben und Sterben, von eventuell Himmel und Hölle, 

völligem Verschwinden oder Wiedergeburt begleiten die Gedanken und Gefühle? 

Hier ist in der Trauerbegleitung Flexibilität und Toleranz gefordert, damit Trauernde jegliche persönliche Ansicht oder Einsicht ausdrücken kann, und sich dabei respektiert fühlen darf. 

 

Nicht selten haben Menschen, die von plötzlichen Sterbefällen in der Familie oder im Freundeskreis betroffen sind, "überhaupt keine Ansichten zum Tod". Zumindest wird dies häufig anfangs so formuliert. Fragt man vorsichtig weiter nach, kommen oft bisher unbenannte, teils diffuse Vorstellungen zutage. Vage Erinnerungen an Glaubenslehren aus der Kindheit, unklare Ideen und Bilder.  Die Betroffenen beginnen möglicherweise von diesem Zeitpunkt an, sich mehr für diese Fragen zu interessieren.

Bei manchen Trauernden zeigen sich hingegen plötzlich klare Gefühle, spontane Einsichten, und mit Bestimmtheit in der Stimme wird formuliert: "Ich glaube, dass...".

 

In jedem Fall gibt diese Situation trauernden Menschen die Aufgabe und die Chance, dem Mysterium des Todes - und des Lebens - persönlich zu begegnen. 

Trauerbegleitung sollte sich bemühen, Trauernde darin zu unterstützen, dass sie sich diesen tiefen, erschütternden Erfahrungen stellen, und daran wachsen und reifen können.